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Doktor Lenas Blog

Der Elefant im Raum, der viel zu häufig unbeachtet bleibt

Single-Falle Posted on Sun, November 05, 2017 11:35:48

Jeder von uns wünscht sich eine glückliche Beziehung. Was unterscheidet diejenigen, denen es gelingt, eine glückliche Beziehung zu gestalten, von denen, die eine unglückliche führen? Zufall? Sind das die Gene? Ist es eine besondere Kunst, deren Geheimnis nicht jedem offenbart wurde?

In meiner praktischen Arbeit mit Paaren muss ich immer wieder feststellen, dass die Partner den Sinn ihrer Beziehung nicht formulieren können. Sie finden dazu keine Worte; das hat seinen Grund.

Wir agieren multifunktional und beherrschen das Multitasking. Wir investieren Kraft in viele Bereiche des Lebens. Wir etablieren eine Beziehung, die viele Facetten hat. Aber das Hauptbedürfnis einer Beziehung –- paradoxerweise – wird oftmals nicht angesprochen und bleibt daher unerfüllt, ja, wird nicht beachtet. Das Bedürfnis steht wie ein Riesenelefant im Zentrum des Raums, bleibt aber für jeden unsichtbar: Unser Verlangen nach Liebe und Anerkennung, unser Verlangen nach einer Bestätigung unseres Wertes und unserer Einmaligkeit.

Dieses Grundbedürfnis ist bei jedem präsent, auch wenn es vom Einzelnen oft nicht gesehen wird und beiseite geschoben wird. Viele beschäftigen sich mit Haushalt, mit der Aufgabenaufteilung der Partner, mit dem Verdienen, dem Sparen und dem Zahlen von Rechnungen. Es geht um den Urlaub, und das Erziehen der Kinder – und es mündet im Stress. Dabei rutscht das zentrale Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung aus dem Fokus; und diese Lage wird als „normal“ wahrgenommen.

Das führt erst zu einer latenten und dann zu einer immer mehr spürbaren Unzufriedenheit, zu Entfremdung und zu einer Abkühlung der Beziehung. Der wahre Grund fürs Fremdgehen ist häufig nicht die unerfüllte Sexualität, sondern der Wunsch nach einer Bestätigung des eigenen Wertes als Mann oder Frau. Manche, die in diese „Falle der Normalität“ geraten sind, sagen mir, dass sie Angst haben, ihre unbefriedigende und scheinbar hoffnungslose Beziehung zu verlassen, weil … allein sein noch schlimmer ist. Diese Aussage unterstützt die Idee, dass wir alle beziehungsbedürftig sind – und wir suchen in einer Beziehung vor allem die Liebe. Viele andere Bedürfnisse kann man heutzutage anders erfüllen: im Restaurant essen, in der Reinigung waschen etc.

Vertrauen und Nähe in der Beziehung sind die Dinge, wonach wir uns sehnen. Mit dem richtigen Partner können wir sie genießen. Wie kommt es, dass der Richtige mit der Zeit zu einem falschen wird? Es geschieht, wenn wir das Hauptbedürfnis bei Seite schieben und uns zu intensiv mit anderen Bedürfnissen beschäftigen, wenn das Funktionieren das Lieben ersetzt. Wenn wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich genug sind und nicht verwirklichen, was wir voneinander erwarten: Bestätigung, Anerkennung, Dankbarkeit, Wertschätzung und Wärme.

Schenken Sie diesem metaphorischen Elefanten so viel Aufmerksamkeit, wie es Ihnen gut tut. Profitieren Sie von seiner Gegenwart. Sie werden sehen, Ihr Leben wird so bereichert.

Lena Kornyeyeva

Veröffentlicht auf https://www.christa-appelt.de/der-elefant-im-raum-der-viel-zu-häufig-unbeachtet-bleibt/



Unvergleichbar sein … lernen

Aus meiner Praxis Posted on Wed, October 04, 2017 20:47:23

Meine praktische Arbeit hat stets mit der Idee der Zufriedenheit zu tun: Wenn der Mensch zufrieden ist, wendet er sich nicht an einer Psychologin. Im Grunde geht es fast immer um die Unzufriedenheit mit sich selbst – mit der eigenen Leistung, mit dem eigenen Aussehen, mit den eigenen Erfolgen beruflich wie privat…

Im Hintergrund dieser latenten oder offenen Unzufriedenheit steht immer die Neigung, sich mit jemandem zu vergleichen. Mit einem, der leistungsfähiger, schöner, erfolgreicher erscheint. Wir leben in einer Welt, in der wir seit Kindertagen an bewertet und verglichen werden. Und wir verinnerlichen diese Neigung, uns zu vergleichen. Es ist uns nicht bewusst, wie kontraproduktiv und wie irrelevant jeder dieser Vergleiche ist: Menschen sind keine Waren, die vergleichbare Parameter haben; jeder von uns hat unzählige Facetten und jeder ist einzigartig.

Wer sich von diesem unbewussten inneren Wettbewerb lösen kann, wird zufriedener. Es geht nicht darum, dass man sich per se besser (leistungsfähiger, schöner, erfolgreicher etc) als die Anderen sehen soll. Die wahre Freiheit vom Wettbewerb entsteht da, wo man sich als unvergleichbar empfindet – da uns unsere Eigenarten unvergleichlich machen.

Nichts ist vergleichbar mit dem schönen Gefühlt der Selbstzufriedenheit, die sich auf einer ruhigen, bedingungslosen Selbstakzeptanz beruht.

Lena Kornyeyeva



Zweiklassengesellschaft oder Gesundheit ist Verhandlungssache

Sedierte Gesellschaft Posted on Mon, September 11, 2017 16:47:02

Zu meinem Buch “Die sedierte Gesellschaft” bekomme ich immer wieder Briefe von Lesern – mit berührenden persönlichen Geschichten und traurigen Erfahrungen, die Leser mit Psychopharmaka machen. Eltern schreiben mir, wie ihren Kindern Psychopharmaka als “verhaltenskorrigierende” Maßnahme in der Schule empfohlen wurden. Mit der Erlaubnis des Autors veröffentliche ich einen kleinen Auszug aus seinem Brief:

Mich persönlich macht diese Entwicklung traurig. Traurig für die Betroffenen, die eine verzerrte Vorstellung bekommen – über den Zweck der Schulausbildung, über die Idee der erfolgreichen Anpassung in der Gesellschaft, über Medizin…

Hauptprinzip der Medizin war ursprünglich: Primum non nocere – vor allem nicht schaden. Doch die Entwicklungen zeigt, dass man sich als Patient in vielen Fällen nicht mehr darauf verlassen kann; wir müssen selbst darauf achten, dass Nebenwirkungen einer verschriebenen Medikation nicht die gewünschten Wirkungen übertreffen. Gerade bei den Psychopharmaka ist diese Bilanz häufig, ja fast immer negativ.

Auch in der Schule scheinen die Gesundheit und die glückliche Zukunft der Kinder nicht immer Priorität zu haben. Nur so lässt sich erklären, dass Psychopharmaka als eine „angemessene verhaltenskorrigierende“ Maßnahme Verbreitung in den Schulen bekommen haben. Bei der Empfehlung, Medikamente zu nehmen, werden in der Regel individuellen Faktoren, die zu einem „auffälligen“ Verhalten beitragen, nicht berücksichtigt und mit den Eltern oftmals nicht besprochen: der aktuelle Gesundheitszustand des Kindes, die Familiensituation, möglicher Stressauslöser innerhalb und außerhalb der Familie und andere situationsbedingte Aspekte. Es wird nicht nach einer Ursache gesucht, es wird nur eine „Standardlösung“ gegeben, die die Problematik möglicherweise abdeckt und dabei noch mehr vertieft.

Nach meinen in der Praxis gemachten Erfahrungen bin ich der Überzeugung, dass Schüler und Eltern nicht mehr Psychopharmaka, sondern mehr Aufklärung benötigen. Wie brauchen mehr Aufklärung über die menschliche Vielfalt (Variabilität), die nicht abgewertet, sondern verstanden und berücksichtigt sein soll, weil sie zu der individuellen und der gesellschaftlichen Entwicklung mehr beitragen kann, als eine falsch verstandene Anpassungsfähigkeit, die der Vielfalt widerspricht…

Individueller Erfolg beruht nicht auf einer Anpassung an gesetzte Rahmenbedingungen, er beruht vielmehr auf der Fähigkeit des Einzelnen, die für sich gewünschten Bedingungen mit der Gesellschaft aushandeln zu können und so die bestmöglichen Voraussetzungen für die eigenen Begabungen zu schaffen.

Die abwertende Botschaft, die mit einer Psychopharmaka-Verschreibung gegeben wird, fördert Schülerinnen und Schüler nicht, sie macht sie auch nicht anpassungsfähiger. “Du bist nicht in Ordnung“, “Du schaffst das nicht ohne” – das bekommt der heranwachsende Mensch von den „erfahreneren“ Erwachsenen mit auf den Weg gegeben. Anstatt „Du darfst herausfinden, was deine Begabung und Berufung ist und was dich im Leben glücklich macht. Es liegt in deiner Macht, deine Zukunft ohne Konflikt mit der Gesellschaft zu gestalten.“

Mehr Bewusstsein und mehr Eigenverantwortung, die untrennbar mit individueller Freiheit verbunden sind, sollten gefördert werden. Die wahre und bewusste individuelle Freiheit ist schöpferisch und hat keine Neigungen, die Freiheit der Anderen zu tangieren. Ein störendes Verhalten ist häufig vor allem eine Reaktion auf eine vorhandene umfeldbezogene Störung, auf einen von Eltern womöglich nicht erkannten Konflikt in der Schule.

Ich wünsche uns ein Schulsystem, das die Wertschätzung in den Vordergrund stellt – die Wertschätzung der Lehrer genauso wie Wertschätzung der Schüler. Davon können der Einzelne und die moderne Gesellschaft viel mehr profitieren, als von der Abwertung einzigartiger Persönlichkeiten und der Beschneidung individueller Fähigkeiten.

Lena Kornyeyeva



Vermarktung des Unglücks

Sedierte Gesellschaft Posted on Fri, August 11, 2017 15:12:29

“Das Steinschneiden” von Hieronymus Bosch (1460-1516)

Bislang habe ich in meiner psychologischen Praxis keinen einzigen Mensch getroffen, der mit Psychopharmaka sein Leben verbessert hat (ich beziehe mich hier nur auf Patienten, die keine psychotischen Erfahrungen haben). Im Gegenteil: Patienten klagen über die Nebenwirkungen der Tabletten – wie eine Eintrübung des Bewusstseins und eine allgemeine sexuelle Lustlosigkeit. Sie klagen – nicht zuletzt als Folge einer medikamentösen Therapie – über Schwierigkeiten in ihrer Partnerschaft.

Erschöpfte und frustrierte Patienten bekommen Psychopharmaka von einigen Ärzten und einigen Psychotherapeuten mit der Erwartung verschrieben, dass diese aus ihrer Verzweiflung und ihrem Unglück herausfinden. Aber die Menschen, mit denen ich nach deren jahrelangem Tablettenkonsum spreche, haben das Ziel nicht erreicht – sie sind noch genauso unglücklich wie an dem Tag der erstmaligen Verschreibung. Dieses Phänomen erstaunt mich nicht – denn außer der regelmäßigen Einnahme der Tabletten haben diese Menschen in ihrem Leben meist nichts geändert: Dieselben frustrierenden Beziehungen, dieselben Probleme am Arbeitsplatz, dieselben häuslichen Schwierigkeiten mit dem Partner oder den Kindern sind geblieben, sind ungelöst.

Umso überraschter war ich, als ich einer psychologischen Fachzeitschrift las, dass „die negative Haltung mancher Therapeuten zur Pharmakotherapie zu Nebenwirkungen oder gar Schäden führen“ könne. (Thomas Müller: „Psychotherapeuten stellen sich den Nebenwirkungen“, Ärzte Zeitung, 22.1.2014, S. 16).

Das Verweigern der Psychopharmaka führe zu Nebenwirkungen? Gehören die gefühlsbetäubenden Medikamente zwingend zur Psychotherapie wie die Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen? Sind sie wirklich eine gute Wahl bei der Behandlung seelischer Ungleichgewichte?

Tatsächlich sind die Wege, die zu einer Linderung psychischer Schwierigkeiten führen, längst bekannt und können immer ohne Medikamente gegangen werden. Zusammen mit einem Psychologen lernen die Patienten sich selbst kennen und verstehen. Zusammen mit einem guten Psychologen können sie Konflikte lösen und bewältigen. Diese Prozesse können durch keine Tabletten ersetzt werden – im Gegenteil. Psychopharmaka gegen seelisches Unbehagen von normalen Menschen zu nehmen ist genauso unangemessen, wie ein Karamellbonbon gegen Zahnschmerzen zu lutschen. Nur die Nebenwirkungen sind doch viel schlimmer…

In Deutschland ist die Eigenverantwortung der Patienten, zu der auch die Wahl des Arztes gehört, systembedingt unterentwickelt. Krankenkassen bezahlen für die Therapie … Und den Kassen wird von den Patienten auch unbewusst die Verantwortung zugeschoben. Patienten haben gelernt, dass eine „Umsonst“-Behandlung auch eigentlich ganz „umsonst“ ist – dass sie den gewünschten Effekt nicht erreicht. Wegen diesen geringen Erwartungen betrachten die Patienten die Psychologen und Psychotherapeuten weniger kritisch als sie es sollten. Deswegen suchen sie nicht nach dem richtigen und passenden Therapeuten – es ist ja „nicht ihr“ Geld. Oder: Einem geschenkten Gaul (eine geschenkten Therapie …) schaut man nichts ins Maul (… hinterfragt man nicht).

Gleichzeitig wird auch die Motivation der Psychotherapeuten in diesem System geringer. Nicht der zufriedene Patient bezahlt die Stunden, sondern die Kasse. Der Psychologe muss vor allem dafür Sorge tragen, dass die Zahl der Termine auf dem Papier stimmen und dass Berichte und Gutachten fristgerecht eingereicht werden. Die Befriedigung der Kasse wird zumindest unbewusst wichtiger als die Gesundung und die Zufriedenheit des Patienten.

In diesem System kommt ein vertrauensvolles und verantwortungsvolles Miteinander von Psychotherapeuten und Patienten unter die Räder. Aus einer der Heilung förderlichen Vertrauensbeziehung wird ein Absitzen der von der Kasse bezahlten Stunden – mit häufigen therapeutischen Misserfolgen, mit häufigem Einsatz von Psychopharmaka als ultima ratio. Darüber erzählen mir die Betroffenen immer wieder…

Eine verhängnisvolle Entwicklung: Denn in der modernen Welt können wir uns ein Funktionieren der Gesellschaft ohne die Dienstleistungen der Psychologen und Psychotherapeuten nicht mehr vorstellen. In der modernen Welt haben sich die Menschen derart isoliert, dass traditionelle Mechanismen seelischer Gesundung wie Gespräche mit Freunden oder in der Familie verkümmert sind, dass externe Hilfestellungen existentiell notwendig werden.

Doch die unbewusste und unreflektierte Übertragung der Verantwortung für die Seele auf den Spezialisten bringt ein Risiko mit sich – die Gefahr, dass das Seelenleben, die privaten Probleme und das private Unglück zu einer Handelsware werden, dass es zu einer „Vermarktung des Unglücks“ kommt. Psychopharmaka sind die Mittel, die gegen das Leiden eingetauscht werden, mit Psychopharmaka ließen sich psychische Probleme kommerzialisieren. Und wie immer bei diesen Geschäften: Die Hersteller der Mittel können kein Interesse daran haben, dass der Absatz nachlässt, sie können nicht hoffen daran, dass Patienten gesund und glücklich werden.

Psychopharmaka sind die gefährliche Begleiterscheinung der modernen Leistungsgesellschaft: sie monetisieren das Unglück und verhindern eine harmonische Gesundung. Psychotherapie darf sich nicht am Kommerz orientieren – sondern muss sich emphatisch um die menschliche Seele kümmern.

Lena Kornyeyeva



Как выбрать хорошего специалиста

Практика: тексты на русском Posted on Wed, May 24, 2017 19:52:26

Работая в клинике медицинской реабилитации, я имею дело с, так сказать, „временными пациентами“, то есть теми, кто приезжает ненадолго в наш курортный город и потом уезжает в свой город проживания, будь то Берлин, Мюнхен или Дюссельдорф. Некоторые из них, даже если они живут неблизко, позже периодически приезжают ко мне на терапевтические сессии, так как им важно закрепить полученный результат и не дать средовым факторам снова вернуть их в старый контрапродуктивный шаблон мышления и поведения. Однако в основном это люди, с которыми я в рамках их пребывания в клинике успеваю провести не более пяти сессий.

На последней встрече мои пациенты часто говорят мне, что, согласно их опыту, найти хорошего специалиста нелегко и спрашивают, по каким критериям искать специалиста и какую из терапевтических школ выбрать. Многим из моих пациентов либо настоятельно рекомендуют обратиться к специалисту-бихевиористу (это связано с чисто немецкой спецификой работы фирм медицинского страхования), либо они уже имели неудачный опыт общения со специалистом, который им, к сожалению, ничем не помог. Словом, вопрос непраздный и повторяющийся регулярно, так что обобщаю мой практический опыт в этом ответе. Для начала
два основных принципа выбора нужного вам специалиста:

• Выбирайте не методику, а человека.
Психоанализ, гештальт-терапия или трансактный анализ сами по себе не обладают терапевтическими свойствами. Они лишь инструмент в умелых руках специалиста, который на основании профессионального опыта знает, где, когда и с кем какая из методик наиболее эффективна.

• Учитывайте степень сочетаемости.
Это часть социальной реальности — не все люди „компатибельны“. Есть люди даже менее совместимые между собой, чем разные компьютерные операционные системы. Далеко не с каждым отличным специалистом именно вам удастся построить конструктивные отношения, в которых возможно достичь тех изменений, которых вы себе желаете. Примите это как данность и ищите своего.

И признаки, по которым вы сможете отличить мастера:

• Ясность, точность и конкретность
Иногда мы вдвоём с пациентом менее чем в течение одной 50-минутной встречи решаем проблему, с которой он ко мне обращается и он бывает приятно удивлён, потому что прежде ему казалось, что его наболевшая тема тянет на многие часы-недели-месяцы работы. Это вполне достижимо, если специалист знает, как отделить важное от неважного и как простым языком объяснить сложные механизмы неспециалисту, если ему необходимо в них разобраться. Если вам в процессе общения со специалистом не вполне понятно, „к чему он клонит“, вы можете обратиться к более опытному его коллеге.

• Цели, задачи работы и ожидания
Хороший специалист начинает свою работу с вашего запроса, ваших целей и вашего же(!) представления о результате, которого вы хотите достичь. Это заключение контракта на сотрудничество, который должен быть полностью ясен и принят обоми сторонами. Если специалист не оговаривает с вами эти вопросы в самом начале, то либо он пока ещё осваивает профессию, либо у него есть некие свои мотивы, не совпадающие с вашими целями, задачами и ожиданиями. Цель должна быть “измеряемой”, то есть вы оговариваете, по каким именно признакам вы поймете, что она достигнута.

• Экзистенциальное принятие
Если вы ощущаете, что специалист навязывает вам свои ценности (этические, религиозные или философские) или если он проявляет неприятие ваших ценностей, то либо он (осознанно или неосознанно) пытается удовлетворять какие-либо свои потребности за счёт ваших, либо он сам не вполне принимает самого себя, что и мешает ему принимать других. В любом из случаев большую пользу вам сложно будет извлечь.

• Распределение ответственности
Как в любых по-настоящему взрослых отношениях, за происходящее и за результат работы оба несут ответственность в соотношении 50 на 50. Соблюдение обоими сторонами оговоренного в контракте на работу это и инструмент развития вашей психологической зрелости, и гарантия того, что в итоге вы получите желаемое. Иное соотношение, например, 30 на 70 это когда пациент питает иллюзию, что вот он пришёл, принёс проблему, а уж специалист “поколдует” и проблема сама “рассосётся”. Склонность к созависимым отношениям, которые сами по себе есть предмет психологической коррекции, проявляется в частности так.

• Паритетность и прозрачность
В частности, в принятии решений о частоте планируемых встреч и о предполагаемой длительности консультирования или терапии. Если специалист не вовлекает вас в принятие подобных решений или оставляет много неясностей; если вы не учитесь автономно выходить за пределы навязанных вам когда-то ограничений и больше полагаетесь на специалиста, чем на себя, то это не терапия, а психологический симбиоз. Вам решать, этого ли вы себе желаете. Хороший специалист открывает вам ваш же доступ к вашему же потенциалу, которым вы сможете эффективно пользоваться и без его участия.

• Удовольствие от процесса
Мастером своего дела может стать только тот, кто своё дело любит. Удовольствие и удовлетворение от работы передаётся и её заказчику, этого нельзя не почувствовать; доверяйте своим чувствам.

И напоследок одно из моих любимых изречений: Не каждый может быть твоим другом, но каждый может быть твоим учителем. Позволю себе добавить “…если ты знаешь, чему тебе стоит научиться”. Такая мини-философия, если её постичь и ей следовать, поможет вам из любого опыта общения извлечь для себя нечто ценное.

Доктор Елена Корнеева



“Gleich statt sexy”

Single-Falle Posted on Wed, May 24, 2017 17:34:17


Man hätte erwarten können, dass die Emanzipation zu einer neuen weiblichen Identität führt, dass die Frau in der Gesellschaft nach eigenen Werten und Idealen lebt. Doch dieses schöne Ziel blieb leider eine Fiktion. Das Emanzipationsideal der Frau – scheint immer noch der Mann. Die Frauenbewegung hat dazu geführt, dass sich Frauen ausgerechnet dem männlichen Bild anzugleichen versuchen. Alles das, was eine Domäne der Männer schien, erobern nach und nach Frauen. Moderne Frauen trinken Bier aus der Flasche, schauen begeistert Fußball und können selbst ihr Auto reparieren. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass Frauen heute die besseren und härteren Männer sind.

Im Büro einer meiner Bremer Kolleginnen hing eine Postkarte, die eine (fiktive) Stellenanzeige zeigt: „Suche fünf fleißige Männer – oder eine Frau.“ Ehrlich gesagt möchte ich keine Frau sein, die es mit vier fleißigen Männern aufnimmt. Ich habe andere Qualitäten und andere Vorzüge als die Tatkraft und den Fleiß von vier Männern. Ich muss mich für meine Weiblichkeit nicht schämen, muss mich nicht hinter männlichen Werten verstecken. Und doch scheint mir das in der deutschen Gesellschaft häufig der Fall zu sein. Die Politik sorgt dafür, dass Frauen und Männer im Berufsleben und im Alltag weitgehend gleichgestellt werden – und niemand außer ewig Gestrigen wird das beklagen wollen. Der Mann ist heute nicht mehr der alleinige Ernährer und Entscheider, manchmal ist in einer Beziehung die Frau der besser verdienende Partner. Die Hierarchie zwischen Mann und Frau ist weitgehend verschwunden (oder hat sich in einigen Fällen gar gedreht).

Mit der Angleichung der Geschlechterrollen ist beim Mann jedoch eine Unsicherheit gewachsen: Welche Rolle ist heute angemessen, was ist noch „männlich“? Kann sich der Mann gegenüber der „starken“ Frau noch als Macho geben? Kann er noch die Frau durchs Leben führen? Die Gefahr liegt auf der Hand, dass derjenige, der in einer modernen Beziehung altmodischen Mustern folgt, lächerlich wirkt. Aber was ist dann die neue Rolle des Mannes, mit der er die weibliche ergänzen kann? Soll er den traditionellen Part der Frau einnehmen, das „schwache Geschlecht“ werden? Manche Männer scheinen heute diesen Weg zu wählen, allein um eine Symmetrie in ihrer Beziehung wiederherstellen zu können. In der überwiegenden Zahl der Partnerschaften jedoch befinden sich Frauen und Männer nun auf Augenhöhe. Entscheidungen werden ausdiskutiert, Kompetenzen geteilt. Weibliche und männliche Aufgabenbereiche sind nicht mehr geschieden – weder bei der Kindererziehung noch in der Küche. Theoretisch könnten Frau und Mann sich heute umso besser verstehen und gleichberechtigter und spannungsfreier zusammenleben als je zuvor. Doch paradoxer Weise ist häufig genau das Gegenteil der Fall. Trotz oder wegen ihrer Gleichstellung entfremden sich Frauen und Männer voneinander und haben sich scheinbar immer weniger zu sagen. Das große Versprechen der Emanzipation führt anscheinend nicht immer und automatisch zu harmonischerer Zweisamkeit und auch nicht zum persönlichen Glück.

Ein kurzer Auszug aus dem Buch Die Single-Falle: Frauen und Männer in Zeiten der Selbstverwirklichung, HEYNE Verlag, München 2015

Lena Kornyeyeva



Verbundenheit, Autonomie und andere Köstlichkeiten gelungener Beziehungen

Aus meiner Praxis Posted on Wed, May 24, 2017 15:44:18

“Man braucht nur eine Insel
Allein im weiten Meer.
Man braucht nur einen Menschen,
den aber braucht man sehr.”

Mascha Kaléko (1907 – 1975)

Ein häufiges Paradox: wir sehnen uns nach Zweisamkeit und wir wollen uns gleichzeitig in einer Beziehung nicht verlieren. Die Wichtigkeit der Autonomie wird in einem Argument deutlich, das viele Menschen gegen eine Beziehung anbringen: “Ich will meine Autonomie, meine Selbstbestimmung, meine Freiheit nicht verlieren”.

Autonomie ist die Fähigkeit, für sich adäquat zu sorgen, die Fähigkeit sich (emotional, kognitiv, finanziell) unabhängig von dem Partner zu fühlen und eigene Bedürfnisse angemessen sowie rechtzeitig erst zu verwirklichen und dann zu erfüllen. Kurz gesagt: Autonomie ist die Manifestation einer erwachsenen Haltung zu sich selbst, nichts anderes als eine gut funktionierende Integrität aller drei Ich-Zustände: Erwachsenen-Ich (Fähigkeit Realität adäquat einzuschätzen), Eltern-Ich (Fähigkeit die Führung/Kontrolle zu übernehmen) und Kindheits-Ich (Fähigkeit Freude und Spaß am Leben zu erleben), wie es in der Transaktionsanalyse konzipiert wurde.
In vielen Paarbeziehungen aber beobachten wir eine Art “Verschmelzung” der individuellen Integrität; wir sehen dann einen Verlust der Fähigkeit, sich angemessen um sich selbst zu sorgen, verbunden mit einer (unangemessenen) Erwartung an den Partner, die er möglicherweise nicht erfüllt, weil auch dessen Erwartung nicht erfüllt wird… Dieser Verlust der Integrität geschieht nach dem komplementären Prinzip der psychologischen Symbiose: zwei Persönlichkeiten “ergänzen” einander durch diesen Ausschluss eines oder zwei Ichs und bilden “eine Persönlichkeit” aus drei komplementären Ich-Zuständen. Beispiel: Ein(e) Partner(in) zeigt die Funktionalität des Kindheits-Ichs (übernimmt nicht die Verantwortung, flüchtet vor den Verpflichtungen), der zweite Partner(in) hingegen zeigt ausgeprägte Erwachsenen- und Eltern-Ichs, die die Lebensaufgaben zu Erfüllung bringen, verzichtet aber auf Bedürfnisse nach Spaß, Erholung und Freude am Leben.
Eine Symbiose ist nur eine Simulation der Nähe und Verbundenheit, ein nicht-funktionierender Ersatz: Zwei Menschen in einer Symbiose können sich noch einsamer fühlen, als ohne eine Beziehung. Opfer- und Retter-Rollen, Machtspiele, Frustration und Verbitterung, offene oder subtile Abwertungen und Beschuldigungen für eine nicht funktionierende Beziehung sind oftmals früher oder später die negativen Folgen – und werden dann insgesamt Thema meiner Paarcoaching-Stunden. Die Wiederherstellung einer gesunden Autonomie ohne Verlustängste und ohne, dass die Qualität der gewünschten Nähe leidet – das ist die Aufgabe der therapeutischen Sitzungen. Und eine Wiedererfindung der alten Idee: Eine Beziehung ist nur dann glücklich, wenn jeder seinen Partner als den am besten passenden für die Bedürfniserfüllung sieht.

Eine “maßgeschneiderte” und wohltuende Balance zwischen Verbundenheit und Autonomie kann nur dann gefunden werden, wenn von einem Paar folgende Prinzipien berücksichtigt werden:

• Es gibt keine erfüllende Verbundenheit ohne gute Fähigkeit zu Autonomie.

• Es gibt keine funktionierende Autonomie ohne Klarheit, was die Bedürfnisse betrifft.

• Es gibt keine glückliche Nähe ohne vorhandene Freiheit.

• Es gibt keine echte Freiheit ohne Ehrlichkeit – Ehrlichkeit zu sich selbst und zum Partner.

• Und es gibt keine echte Liebe ohne Liebe zu sich selbst. … Liebe zu sich selbst bedeutet auch, eigene Bedürfnisse zu akzeptieren – so wie sie sind.

Lena Kornyeyeva



Training Emotionale Kompetenz nach Claude Steiner – kurze Einführung

Emotionale Kompetenz & TA Posted on Sun, May 21, 2017 18:23:36

Eine 4-seitige Druckversion:

Emotionale Kompetenz? Das klingt einfach, so als ob jeder diese beherrscht. Doch in der modernen Zeit ist gerade die emotionale Kompetenz oder das Wissen, wie man mit seinen Gefühlen umgeht, vernachlässigt worden. Diesen Mangel an emotionaler Kompetenz, der sich in Burn-Out-Syndromen, Depressionen oder auch Beziehungskrisen äußert, will die psychologische Methode der „Emotionalen Kompetenz“ (EK) angehen und, wenn möglich, heilen.

Man kann die Methode als eine Erweiterung der Transaktionsanalyse betrachten. Der Transaktionsanalytiker Claude Steiner (1935 in Paris geboren, 2017 in Kalifornien gestorben), ein Schüler und Mitarbeiter von Eric Berne, hat die Methode der Emotionalen Kompetenz seit Anfang der 1970er Jahre ausgearbeitet. Emotionale Kompetenz (emotional literacy) wird von Psychologen, Psychotherapeuten, Pädagogen und generell von denjenigen Menschen geschätzt und erfolgreich angewandt, die sich mit zwischenmenschlichen Beziehungen beschäftigen und diese verbessern möchten. Vor allem Claude Steiner hat Bücher zur EK geschrieben, die heute vielen als Anleitung dienen. Zertifizierte Trainer und Teacher praktizieren die Methode in Deutschland und verbreiten diese über eigene Veröffentlichungen.

Emotionale Kompetenz hat das Ziel, das natürliche Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung zu erfüllen. Emotionale Kompetenz ist die Fertigkeit, mit eigenen Gefühlen angemessen umgehen zu können und die Gefühle des Gegenübers zu verstehen; um eine erfüllende, also nicht manipulative Beziehung (Kommunikation) zu führen und Liebe zu erleben. Die Methode hilft, da gewünschte Klarheit zu schaffen, wo eine Beziehung oder eine Kommunikation schwierig, unangenehm und/oder verwirrend geworden ist.

In jeder noch so kleinen Kommunikation geben und nehmen wir Streicheleinheiten oder „Strokes“ – so der englische Begriff. Strokes sind die Einheiten der zwischenmenschlichen Anerkennung und Zuwendung, sie sind Signale, dass ein Anderer uns wahrgenommen hat. Strokes können verbal und nonverbal sein – ein Blick kann vielsagender als mehrere Worte sein. Zu den nonverbalen Strokes gehören auch die körperlichen Zuwendungen jeglicher Form (Berührungen, Umarmungen, Küsse usw.). Strokes können auf uns positiv, aber auch negativ wirken; das heißt, ein gleicher Stroke kann gewünscht oder ungewünscht sein – je nach der individuellen Wahrnehmung und aufbauend auf individuellen Erfahrungen. Es gibt die so genannten „plastic Strokes“ oder unehrlichen Strokes, die ein verstecktes eigennütziges Ziel (materieller oder emotionaler Art) verfolgen. Vergleichende Strokes können unangenehm wirken, weil sie zweideutig sind und ein abwertendes Element beinhalten, beispielsweise „heute siehst du besser aus“.

Strokes stillen unseren so genannten strukturellen Hunger – unser Bedürfnis nach Anerkennung. Während der körperliche Hunger dazu führt, dass wir uns ernähren, dient der strukturelle Hunger der Bestätigung unserer psychischen Existenz. Geliebt zu sein macht glücklich; Gleichgültigkeit hingegen wird als Bestrafung wahrgenommen. Kinder benötigen die Bestätigung, dass sie erwünscht und geliebt werden. Es ist bewiesen, dass die individuelle Entwicklung dadurch beeinträchtigt sein kann, dass ein Kind keine ausreichende oder nur negative Zuwendung von den Elternfiguren bekommt. Doch auch Erwachsene benötigen Anerkennung. Die Formen der Wertschätzung und der Anerkennung sind in unserer Wahrnehmung eine Art Währung, mit der unser menschlicher Wert aufgewogen wird.

Steiner hat beobachtet, dass Menschen, die Anerkennung benötigen, oft selbst viel zu sparsam mit Strokes umgehen – sie geben da keine gewünschten Strokes, wo diese erbeten werden und sie nehmen keine Strokes, obwohl sie sich danach sehnen. Diese Menschen haben oft Schwierigkeiten, das verdiente Lob anzunehmen, sie fühlen sich unwohl, sobald sie „im Mittelpunkt“ stehen. Steiner hat diese Neigung als „stroke economy“ (im Deutschen als „Verknappungslehre“ bezeichnet) beschrieben, was so viel heißt, mit Liebe wie mit einem knappen Gut umzugehen. Menschen lassen sich in die stroke economy hineinziehen, da für sie eine knappe Zuwendung besser als gar keine ist.

Stroke economy manifestiert sich in fünf Aspekten: Man gibt den Anderen gar keine oder nur wenige gewünschte Strokes; man nimmt die gewünschten Strokes von den Anderen nicht an, wertet sie hingegen ab; man kann gewünschte Strokes nicht einfordern, wie z.B. um Unterstützung oder Hilfe bitten; man kann ungewünschte Strokes nicht ablehnen, man nimmt sich also nicht in Schutz; und man billigt sich keine Anerkennung zu, auch wenn man diese verdient hat. Der zu sparsame Umgang mit Zuwendung, der unsere natürlichen Bedürfnisse nach Liebe, Geborgenheit und Zuwendung unerfüllt lässt, führt zu einem emotionalen „Austrocknen“, zu Verkümmerung einer Beziehung. Depression, die Steiner als Zuwendungsmangelkrankheit verstanden hat, ist eine Folge der mangelnden Fähigkeit, Liebe zu geben, zu nehmen und zu erleben – damit ist auch die Selbstliebe gemeint. Manipulatives Verhalten im Rahmen der stroke economy, das Menschen unglücklich macht, basiert auf der Befürchtung „leer auszugehen“; für uns ist Anerkennung derart wichtig, dass uns sogar die „schlechten“, sprich ungewünschten Strokes lieber sind als gar keine.

Strokes erwecken in uns Gefühle und Emotionen. Eine echte Zuwendung macht Freude, eine Ablehnung wirkt verletzend oder sogar vernichtend. Gefühle zu erkennen und zu benennen ist ein wichtiges Bestandteil der EK, da wir während der Sozialisation verinnerlicht haben, eigene Gefühle zu unterdrücken, zu tabuisieren, zu verdrängen und ihre Rolle und Funktion nicht richtig wahr zu nehmen: Gefühle haben die Aufgabe, uns zu signalisieren, ob unsere natürlichen Bedürfnisse erfüllt werden. Zudem sind Menschen von ihrer Natur her unterschiedlich einfühlend, so dass allein dadurch Missverständnisse und Konflikte entstehen. Eine bewusst erworbene Kompetenz zu den eigenen Gefühlen und zu den Gefühlen der Anderen hilft, Konflikte zu vermeiden und zu lösen.

Selbstzweifel bis Selbstverachtung, die Neigung, es „allen Recht zu machen“ und eigene Bedürfnisse weniger als diejenigen der Anderen zu berücksichtigen, Angst vor Ablehnung, mangelnder Selbstwert und mangelndes Selbstvertrauen, unzureichende Fähigkeit, sich in Schutz zu nehmen … all das sind Manifestationen des psychischen Introjekts (der verinnerlichten Vorstellung) „Kritische Eltern“. Kritische Eltern spielen als Ich-Zustand in unserer Psyche eine wichtige Rolle und beeinflussen unsere Beziehungen mit den Anderen stark. Dieses Introjekt ist ein Teil unserer gespeicherten Erfahrung mit den Elternfiguren, der abwertende Denk- und Verhaltensmuster beinhaltet. Die Kritischen Eltern äußern sich in unterschiedlichen Variationen der Botschaft „Du bist nicht OK“ („Du schafft das nicht“, „Du bist nicht gut genug“ usw.). Als Kinder konnten wir die Angemessenheit dieser abwertenden Haltung nicht in Frage stellen; wir waren von den Elternfiguren existentiell abhängig. Das führte aber dazu, dass eine abwertende Haltung als Normalität und Notwendigkeit empfunden und sogar entschuldigt wurde und wird. Kritische Eltern sorgen für persönliche Schwäche, keineswegs für notwendige Sicherheit (das tut hingegen das wertschätzende fürsorgliche Introjekt „Nährende Eltern“), sie verfolgen nur das Ziel, uns abhängiger, unfähiger, schwächer, steuerbarer und manipulierbarer zu machen. Die destruktive Macht der Kritischen Eltern ist auf einer Lüge aufgebaut – dass Menschen nicht den gleichen Wert haben; dass diejenigen, die mehr Macht haben, wertvoller sind (da sie sich nicht mehr in einer „Underdog-Position“ befinden). Menschen, die einer derartigen „Entmachtung“ in ihrer Kindheit ausgesetzt waren, legen als Erwachsene Wert auf eine Position, die ihnen Macht über Andere vermittelt. Die Infragestellung unseres Wertes durch Kritische Eltern kann uns von der Anerkennung durch die Anderen emotional abhängig machen; da wenn man sich selbst nicht wertvoll fühlt, hofft man auf eine Bestätigung „von außen“. Der subjektiv wahrgenommene menschliche Wert ist in unserer Wahrnehmung von dem Grad des „Geliebt-seins“ abhängig. Dieses Phänomen verleiht denjenigen Macht, der als Quelle der Liebe und Anerkennung gesehen wird.

Das Training der Emotionalen Kompetenz zeigt, wie man dem Introjekt Kritische Eltern bewusster umgehen kann. Es verdeutlicht zudem, dass Beziehungen nicht auf der stroke economy aufbauen, sondern auf Liebe und Vertrauen.

Kritische Eltern „verkleinern“ uns mit Hilfe von psychologischen Machtspielen. Ein Machtspiel ist eine manipulative Transaktion oder eine Serie manipulativer Transaktionen, die einen Gegenüber zu einer Handlung bewegen sollen; somit ist ein Machtspiel eine Kommunikation, in der eine Seite als „Gewinner“ dasteht. Zweck eines Machtspieles ist, eine Ressource (Anerkennung, Liebe, Information, Zeit etc.) für den „Gegenüber“ nicht verfügbar zu machen und dadurch den Gegenüber zu „entmachten“. Die Kommunikation, in der beide Seiten sich als Gewinner sehen, ist hingegen eine Kooperation – beide sind und erleben sich gleichwertig, sie haben die Möglichkeit, ihre Bedürfnisse zu berücksichtigen, sie handeln frei und bewusst im eigenen Interesse und sind damit zufrieden.

Ein Machtspiel kann Profite emotionaler Art erzeugen – ein Mensch sieht sich überlegen und bestätigt, wenn er einen anderen ausnutzt, ihn „über den Tisch zieht“. Machtspiele können auch sehr subtil geraten. Intransparenz, Halbwahrheiten, Lügen, Verheimlichungen (der Bedürfnisse), Ausgrenzungen, (unvorteilhafte) Vergleiche mit den Anderen, subtile oder offene Übergriffe (verbale oder nonverbale), die unangenehme Gefühle erzeugen – das sind Voraussetzungen und gleichzeitig die Bestandteile der Machtspiele. Sie zu erkennen und auf sie anderes (stressfreier und konfliktfreier) reagieren zu können, lernt man mit der EK.

Wichtiger Teil eines Trainings der Emotionalen Kompetenz ist der „kooperative Vertrag“, den jeder Teilnehmer des Trainings freiwillig eingeht. Mit dem kooperativen Vertrag erklärt man sich freiwillig bereit, auf jede Form der Machtspiele zu verzichten, das heißt, keine Lügen, keine Verheimlichungen (der eigenen Bedürfnisse), keine Rettungen und keine Opferrollen. Eine Rettung geschieht dann, wenn man etwas macht, was er nicht will oder mehr macht, als sein angemessener Anteil wäre; man wertet dabei seine Bedürfnisse ab und auch die Fähigkeit(en) des Anderen ohne seine Mitbeteiligung klar zu kommen. Die Opferrolle ist auch eine Manifestation der Abwertung – man wertet seine eigenen Fähigkeiten und Optionen ab und „lädt“ jemanden zu einem Machtspiel „ein“. Unter dem kooperativen Vertrag bleibt man ehrlich zu sich selbst und zu Anderen und zwingt sich nicht etwas zu machen, was man nicht will. Vor jeder Äußerung von Gefühlen, Intuitionen, Anerkennung oder Wiedergutmachung wird um Erlaubnis gefragt. Der kooperative Vertrag schafft die notwendige Sicherheit – Voraussetzung für die Entmachtung der Kritischen Eltern. Die Verantwortung, die jeder bewusst für sein Verhalten übernimmt und trägt, wirkt zudem als eine Gegenmacht den Kritischen Eltern gegenüber. Ein Bestandteil des kooperativen Vertrages ist, die Bedürfnisse des Anderen zu erfragen und zu berücksichtigen und z.B. ein „nein“ zu akzeptieren.

Ungeprüfte Phantasien“ machen menschliche Beziehungen oft schwieriger und unangenehmer als sie sein könnten. Manchmal handeln wir nur nach unserer subjektiven Wahrnehmung. Einen düsteren Gesichtsausdruck kann man als eine Abweisung, einen Vorwurf interpretieren. Man empfindet den Gesichtsausdruck womöglich als eine „logische“ Fortsetzung eines eigenen schlechten Gewissens, weil man vielleicht vorher eine Bitte nicht erfüllen konnte. Der wahre Grund des düsteren Blickes hatte damit aber nichts zu tun. Eine derartige Phantasie entfaltet sich rasend schnell und hat mit den Kritischen Eltern zu tun („Ich bin schuld, dass sie mich so grimmig anguckt“). Wenn eine Phantasie nicht geprüft wird, kann sie zu einem Konflikt oder zu einer Eskalation eines latenten Konfliktes führen; oder zu einer emotionalen Distanz und Abkühlung der Beziehung. Emotionen spielen hier eine wesentliche Rolle – sie können sehr intensiv sein und werden von den Phantasien ausgelöst, sie werden häufig mir einer ähnlich-empfundenen Erfahrung verwechselt und verursachen so nur noch mehr Verwirrungen und (gegenseitige) Unzufriedenheit. Phantasien und Wahrnehmungen zu prüfen ist ein Teil des Trainings; es wird in dem durch den kooperativen Vertrag geschaffenen sicheren Raum ehrlich und offen über die intuitiven Wahrnehmungen geredet, um Missverständnisse zu beseitigen und um die stroke economy mit dem freien Austausch von Zuwendung zu ersetzen.

Das Training der Emotionalen Kompetenz besteht aus drei Schritten:

1. „Herz öffnen“. Man lernt, nicht nach der stroke economy zu handeln, sondern nach dem tatsächlichen Bedürfnis nach Liebe und Zuwendung. Man erlaubt sich, Strokes zu geben, gewünschte Strokes zu nehmen, um gewünschte Strokes zu bitten, ungewünschte Strokes abzuweisen und sich selbst gewünschte Strokes zu geben. Dieser Teil des Trainings, auch im abgesicherten Raum des kooperativen Vertrages, erfordert Mut und Ehrlichkeit: es ist nicht immer einfach, gegen die verinnerlichten abwertenden Muster der Kritischen Eltern anzugehen und das eigene Herz durch den Austausch der Strokes zu öffnen. Abwertende Botschaften der Kritischen Eltern – „nimm dich nicht so wichtig“, „du hast das nicht verdient“ usw. – können eine intensive emotionale Reaktion hervorrufen. Man lernt, die veralteten Botschaften der Kritischen Eltern zu identifizieren und damit die negative Macht des Introjektes zu neutralisieren.

2. Gefühlslandschaft erkunden. „Als du meine E-Mail nicht beantwortet hast, habe ich mich traurig gefühlt“: Man lernt die durch Handlungen ausgelösten Gefühle zu identifizieren und sie dem Gegenüber angemessen mitzuteilen. Traurigkeit, Ärger, Angst und Freude sollen mit Namen genannt werden; um das gegenseitige Verständnis zu ermöglichen, kann man auch die Stärke des Gefühls benennen (beispielsweise auf einer Skala von 1 bis 10). So schafft man Klarheit und entmachtet eine mögliche Manipulation, beugt einer Eskalation vor, verhindert eine gegenseitige Unzufriedenheit. Phantasien prüfen gehört ebenfalls zum Erkunden der Gefühlslandschaften – wie: „Als du mich so angeschaut hast, habe ich Phantasie gehabt, dass du dich über mich ärgerst“. Die Aufgabe des Anderen ist die ehrliche Überprüfung der Phantasie und den Teil zu benennen, der stimmt („Körnchen Wahrheit“). Eine Äußerung der subjektiven Wahrnehmung ohne Urteile und Beschuldigungen beseitigt Missverständnisse und ermöglicht einen ehrlichen und wertschätzenden Umgang mit den eigenen Bedürfnissen und auch mit den Bedürfnissen der Anderen. Es schärft die Intuition als Fähigkeit und trägt zu einer vertrauensvollen Beziehung bei.

3. Verantwortung übernehmen – für die Emotionen, die wir mit unserem Verhalten bei Anderen auslösen. Wir alle machen Fehler, weil wir Menschen sind. Um Entschuldigung zu bitten hat nicht jeder in seiner Kindheit gelernt. Machtspiele beinhalten immer ein Element der Gewalt – sich nicht zu entschuldigen bedeutet, die Gefühle des Anderen zu verletzen und diesen emotional „hängen zu lassen“, als ob dieser „nicht wichtig“ ist. Eine ehrliche Bitte um Entschuldigung ist immer ein Ausdruck der Wertschätzung, da sie eine Botschaft beinhaltet: „Ich schätze dich und möchte deine Zuneigung nicht verlieren, deswegen möchte ich alles wieder gut machen“. Eine Verletzung kann auch so tief und schmerzvoll sein, dass der, der um Entschuldigung gebeten wurde, noch nicht bereit ist, die Entschuldigung zu geben; er darf dann mehr Zeit in Anspruch nehmen. Man hat auch die Freiheit, die Entschuldigung zurückzuweisen – es gibt Verletzungen, die nicht zu verzeihen sind. Alle Interaktionen müssen nach dem Prinzip des kooperativen Vertrages gestaltet werden: keine Verheimlichungen, keine Lügen, keine Retter- oder Opferrollen.

Emotionale Kompetenz ist eine präzise erarbeitete und wirksame Methode, mit deren Hilfe man Veränderungen bei sich selbst und in der Kommunikation mit anderen herbeiführen kann. Zu den Anwendungsgebieten gehören Psychotherapie, Paarberatung, Pädagogik, Beratung, Coaching, Teamentwicklung und Supervision. Dank der Emotionalen Kompetenz können Menschen liebevoller mit sich selbst und mit Anderen umgehen lernen.

© Lena Kornyeyeva

Veröffentlicht: Kornyeyeva, L. (2017). Emotionale Kompetenz nach Claude Steiner: Eine kurze Einführung, in: Liebe ist die Antwort. Beiträge aus Psychotherapie, Pädagogischer Psychologie, Familienpsychologie, Wirtschaftspsychologie, Sozialpsychologie. Deutscher Psychologen Verlag, Berlin.



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