Nachdem mein Buch Die Single-Falle erschienen ist, bekomme ich viele Leserbriefe – überwiegend von Männern. Es sind auch Männer, die sich zum Paar-Coaching anmelden, um ihre Beziehungsprobleme zu lösen. Sie erklären dann, dass sie sich von ihren (starken) Frauen nicht geliebt fühlen, behaupten manchmal, dass sie von ihren Partnerinnen unterdrückt werden.

Manche Männer schreiben mir, dass sie Schwierigkeiten haben, überhaupt eine Frau kennen zu lernen. Sie vermissen, so sagen sie, vor allem feminine – nicht auf Konkurrenz, sondern auf Liebe orientierte – Frauen. Die Frauen, mit denen sich sich als Männer fühlen können und die sie gerne glücklich machen würden.

Man könnte denken, dass die heutigen Frauen mit dem Trend der „Lonelyfikation“ und der zunehmenden Entfremdung der Geschlechter besser zurecht kommen als die Männer. Aber gerade das ist nicht der Fall: In vertraulichen Gesprächen sagen mir die Frauen, dass sie gerade den einen Mann, der sie begehrt und liebt, vermissen. Sie wollen von ihm hören, dass sie die einzige und die beste sei – was kann wichtiger sein? Gleichzeitig haben Frauen gelernt, dass sie dem Mann nicht entgegen kommen dürfen. Er muss sich Zuneigung erarbeiten, muss beweisen, dass er kein wie von den Ärzten besungenes Schwein ist, der nur Sex will oder der nur auf den Körper achtet …

Der Wunsch nach Liebe und die gesellschaftlichen Normen setzen Kräfte frei, die sich gegenseitig blockieren. Frau und Mann begehren einander, können das aber nicht mehr sagen und auch nicht mehr nonverbal zum Ausdruck bringen. Mann muss für die Liebe arbeiten und Frau darf nicht zeigen, dass sie ein attraktives Ziel ist, für dass der Mann den Himmel auf Erden versprechen mag.

Während das Zwischenmenschliche immer mehr unter der Blockade der sich widersprechenden Kräfte leidet, hat der Arbeitgeber längst gewonnen: Frauen geben sich Mühe, konkurrenz- und durchsetzungsfähig, stark und verantwortungsvoll zu sein, Männer sowieso. Feminin oder maskulin zu sein und auch das eigene Begehren zum Ausdruck zu bringen, auf das Begehren des anderen (oder gleichen) Geschlechts womöglich positiv zu antworten, kommt gar nicht mehr in Frage. Frauen und Männern gelingt es immer weniger, im Privatleben genauso erfolgreich zu sein, wie im Berufsleben …

Die Emanzipation ist eine Errungenschaft, die, wenn sie falsch verstanden wird, zu emotionalen Verlusten führt. Deshalb sollte man die Emanzipation sowohl als Mann als auch Frau für sich selbst bewusst neu definieren. Stark und emanzipiert sein bedeutet vor allem, sich nicht manipulieren zu lassen, frei und unabhängig zu bleiben – unabhängig auch von den gesellschaftlichen Erwartungen, die tatsächlich im Privatleben nichts zu suchen haben.

Lena Kornyeyeva