Jeder von uns wünscht sich eine glückliche Beziehung. Was unterscheidet diejenigen, denen es gelingt, eine glückliche Beziehung zu gestalten, von denen, die eine unglückliche führen? Zufall? Sind das die Gene? Ist es eine besondere Kunst, deren Geheimnis nicht jedem offenbart wurde?
In meiner praktischen Arbeit mit Paaren muss ich immer wieder feststellen, dass die Partner den Sinn ihrer Beziehung nicht formulieren können. Sie finden dazu keine Worte; das hat seinen Grund.
Wir agieren multifunktional und beherrschen das Multitasking. Wir investieren Kraft in viele Bereiche des Lebens. Wir etablieren eine Beziehung, die viele Facetten hat. Aber das Hauptbedürfnis einer Beziehung –- paradoxerweise – wird oftmals nicht angesprochen und bleibt daher unerfüllt, ja, wird nicht beachtet. Das Bedürfnis steht wie ein Riesenelefant im Zentrum des Raums, bleibt aber für jeden unsichtbar: Unser Verlangen nach Liebe und Anerkennung, unser Verlangen nach einer Bestätigung unseres Wertes und unserer Einmaligkeit.
Dieses Grundbedürfnis ist bei jedem präsent, auch wenn es vom Einzelnen oft nicht gesehen wird und beiseite geschoben wird. Viele beschäftigen sich mit Haushalt, mit der Aufgabenaufteilung der Partner, mit dem Verdienen, dem Sparen und dem Zahlen von Rechnungen. Es geht um den Urlaub, und das Erziehen der Kinder – und es mündet im Stress. Dabei rutscht das zentrale Bedürfnis nach Liebe und Anerkennung aus dem Fokus; und diese Lage wird als „normal“ wahrgenommen.
Das führt erst zu einer latenten und dann zu einer immer mehr spürbaren Unzufriedenheit, zu Entfremdung und zu einer Abkühlung der Beziehung. Der wahre Grund fürs Fremdgehen ist häufig nicht die unerfüllte Sexualität, sondern der Wunsch nach einer Bestätigung des eigenen Wertes als Mann oder Frau. Manche, die in diese „Falle der Normalität“ geraten sind, sagen mir, dass sie Angst haben, ihre unbefriedigende und scheinbar hoffnungslose Beziehung zu verlassen, weil … allein sein noch schlimmer ist. Diese Aussage unterstützt die Idee, dass wir alle beziehungsbedürftig sind – und wir suchen in einer Beziehung vor allem die Liebe. Viele andere Bedürfnisse kann man heutzutage anders erfüllen: im Restaurant essen, in der Reinigung waschen etc.
Vertrauen und Nähe in der Beziehung sind die Dinge, wonach wir uns sehnen. Mit dem richtigen Partner können wir sie genießen. Wie kommt es, dass der Richtige mit der Zeit zu einem falschen wird? Es geschieht, wenn wir das Hauptbedürfnis bei Seite schieben und uns zu intensiv mit anderen Bedürfnissen beschäftigen, wenn das Funktionieren das Lieben ersetzt. Wenn wir uns selbst gegenüber nicht ehrlich genug sind und nicht verwirklichen, was wir voneinander erwarten: Bestätigung, Anerkennung, Dankbarkeit, Wertschätzung und Wärme.
Schenken Sie diesem metaphorischen Elefanten so viel Aufmerksamkeit, wie es Ihnen gut tut. Profitieren Sie von seiner Gegenwart. Sie werden sehen, Ihr Leben wird so bereichert.
Lena Kornyeyeva
Veröffentlicht auf https://www.christa-appelt.de/der-elefant-im-raum-der-viel-zu-häufig-unbeachtet-bleibt/